tisdag 22 januari 2013

Eifeler e-mails: Eine sprachlich-geschichtliche Idee

Eifeler e-mails: Eine sprachlich-geschichtliche Idee. Zu dem Projekt der Eifeler e-mails sind herzlich diejenigen eingeladen,
die: 1. Sich fuer Dialekt, hauptsaechlich und v.a. Moselfraenkisch
interessieren und entweder aus dem Raum Rheinland, Eifel, Moselland,
Hunsrueck und Luxemburg stammen oder ihn kennen (z.B. durch den Film
"Heimat" von Edgar Reitz) oder beides kennenlernen wollen. 2. Sich die Frage stellen, wie man im digitalen Kommunikationszeitalter
Individualitaet und Identitaet entwickeln und verwirklichen kann. 3. Sich fuer geschichtliche und kulturelle Entwicklung interessieren,
denen es Spass macht zu hinterfragen und zu vergleichen, die Freude an
der Sprache und am Wort haben. Was sollen die Eifeler e-mails? a)Wir moechten hiermit euch allen, die sich mit obigem irgendwie
identifizieren koennen eine Kontaktadresse (s.o.) geben, an die ihr
eure Adresse, eure Interessen oder Fragen schicken koennt. b)Wir moechten mit denen, die das wollen, ein Eifeler e-mail Netzwerk
gruenden und einen pool an Ideen und Adressen schaffen. c)Wir moechten ein "zine" mit dem Titel "Eifeler e-mails" herausgeben,
dass einen sprachlichen (Mundart-)Teil, einen weltanschaulichen Teil
und einen lokalhistorischen Teil (auch mit Anekdoten und Geschichten)
hat. Grundsaetzliches - Es geht uns darum, ein Forum zu schaffen, auf dem wir Erfahrungen und
Erlebnisse aus dem (und ueber den) oben genannten nicht ganz deutschen
Landstrich Deutschlands sammeln. - "Das Leben ist eine Kappensitzung". Die Ironie wird bei unserem
Projekt ziemlich grossgeschrieben, warum nicht eine Kappensitzung ueber
Internet abhalten? Waer« bestimmt mal was Neues. Das gibt den Narren
aller Laender die Moeglichkeit sich zu vereinigen. - Es geht bei unserem Projekt tatsaechlich auch um Philosophie, aber
dass die alles andere als trocken und theoretisch sein muss, koennt ihr
in dem folgenden Essay lesen. "Wir", das sind die beiden Brueder Olaf und Andreas OEnnerfors. Eine
lange Zeit unseres Lebens wohnten wir mitten in der Eifel (spaeter in
Trier) und nun in Schweden. Die Eifel setzte fuer immer ihre Spuren.
"Die leichte Unschaerfe eines Dialektes gibt einen individuellen
Praegel, der sich aus der Sturmflut des gebuegelten Perfektionismus
erfrischend hervorhebt." Ihr seid herzlich willkommen!
Lund, Schweden, im Januar 1995. Eifeler e-mails
Unter dem Surren der Windraeder von Muxerath erkannte ich, dass die
Eifel in eine neue Daseinsform getreten war: Die Postmoderne hatte sie
erfasst, bevor das Projekt der Moderne die kargste windgepeitschste
Hoehe oder den letzten Ginsterbusch ausgeloescht hatte. Es wurde
einfach uebersprungen.
Ein Modem vertraegt sich neben dem Misthaufen von Obergeckler, aber
eine Autobahn durch die Vulkankrater ist Diktatur.
Dass es beliebig ist, von wo aus man seine Kommunikation taetigt, wo
man seinen Text produziert, macht das ganze Tamtam drumherum unnoetig.
Der Wind, der schon immer ueber die Eifelhoehen gegangen ist, gibt mir
Strom fuer meinen Bildschirm. Es ist dann unwesentlich, ob ich in einer
der wenigen Kuechen mit dem grossen Holzofen sitze, oder irgendwo in
einem langweiligem Buero. Ich kann nach Stall stinken und unrasiert
sein, wenn ich mit meinem Mobiltelefon Bankgeschaefte taetige. Die
Postmoderne erscheint gerade da am spannendsten, wo sie das Auftreten
des Einzelnen relativer und unwesentlicher macht. Ihn also gleichzeitig
befreit, als auch "entwertet". Der Einzelne steht nicht unter dem
Leistungs- und Erfolgsruck und unter dem Druck des perfekten
Auftretens. Alle diese Vorteile verschwimmen jedoch in den
antropophoben Betongwuesten der Moderne. Dort sieht man nur den Schein
und reagiert gegen das Blabla der Werbung.
Aber da oben, auf der Schneifel bist Du ganz entpellt:
Ein Mensch in Schneewehen; in Orten, deren Existenz Du noch nicht
einmal kanntest.
Das tut so gut! Und wenn Du an den Busbaracken vorbeifaehrst, an denen
die neongruenen Plakate "Disco in Schwirzheim" verwittern weisst Du: Es
ist alles beim alten. Denn wer haelt es schon hier aus?
Und das gerade gibt Dir Identitaet:
Das Aushalten des Unglaublichen. Wenn Du das, was niemand von Dir
erwartet haette aushaeltst, dann ist das an und fuer sich ein Seiltanz
zwischen Glueck und Absturz (und alle halten den Atem an); dann ist es
mehr wert als wenn Du das erfuelltest, was alle von Dir erwarten. Denn
dass Du Erwartungen erfuellst, ist konstitutiv.
Doch Dich erfuellt das Unerwartete nachhaltiger.
Die Moderne hat das Menschliche, das Urspruengliche zerruettet. Sie sah
Misthaufen als ein hygienisches Problem. Sie schuf die
Beschaeftigungslosigkeit, sie machte den Dorftrottel (BullerPitter)
ueberfluessig und stopfte ihn ins Heim. Viele wanderten ab, gaben auf,
gingen nach Koeln, Trier, Frankfurt. Und mit den 80ern kamen die
Yuppies, die Neureichen, kauften die leerstehenden Haeuser auf,
restaurierten was das Zeug hielt, liessen sich auf den fuer einen Apfel
und ein Ei erschwindelten Baugrundstuecken, wo frueher das Eifeler
Rotbunt weidete, neue Haeuser bauen. Und beim SPAR gab«s auf einmal den
Koelner Stadtanzeiger. Wer sollte schon Erneuerung hierhin bringen?
Wussten wir, dass wir tief in den Auswirkungen der 70er standen, als
wir nach den Landtagswahlen Udler-Saxlers Wahlergebnisse lasen, 90% CDU
und 10% Gruene? Die OEko-Kommunen versuchten ihr Bestes. Retten konnten
sie nichts.
Die Postmoderne rettet nicht die Menschenwuerde in toto, aber die
Wuerde des Einzelnen, seine Befreiung, ist ihr Ausgangspunkt, ihre
Gefahr und ihre Verheissung. Das Kollektiv ist da nicht eine graue
Masse und Klasse (deren "Unterdrueckung" man als Ausgangspunkt einer
Revolution sehen koennte), sondern besteht aus Individuen deren
verbindendes Element die Information, die Kommunikation ist. Revolution
ist Selbstrevolution.
Doch eine Informations"kultur" kommt ohne Identitaet nicht aus. Die
Moderne hat alle Identitaeten nivellisiert und das Aussergewoehnliche
laecherlich gemacht. das Hochdeutsch verdraengte den Dialekt, die
Bild-Sprache verdummte es.
Der grosse Sohn der Stadt Gerolstein, der Politiker Alois Mertes (r wie
"ch" in "Bach") sprach einmal, so berichtet die Legende,
Moselfraenkisch mit einem luxemburger Kollegen in Moskau. Der KGB, der
das Gespraech mitanhoerte schaltete sich ein, denn keiner seiner
Sprachexperten war in der Lage das zu entschluesseln. Frueher waere
soetwas peinlich gewesen. Heute verwundert mich das nicht. Ich wuerde
sogar dazu ermutigen. Das Interesse fuer Mundart ist zwar nichts Neues
in sich und hat sich gewissen Respekt verschafft, aber mehr aus
Nostalgisierung oder einem fable fuer das Exotische, mit dem sich die
Wissenschaft vor allem umgeben muss. Doch wo ist die Front, wo ist die
Avantgarde, wo sind die Vorreiter des Sprachgebrauchs, der
Sprachentwicklung, die den Dialekt in die modernsten Medien
integrieren?
Wer schafft die Lobby fuer«s Moselfraenkische im Euroslang?
Wenn Adenauer sein Koelnerisch nicht lassen konnte, wenn Kohls nicht
vorhandenes Unterscheiden zwischen "sch" und "ch" ein Faktum ist, wenn
Ulbrichts krankhaftes Saechseln von Tausenden SED«lern (selbst dem
Saarlaender Honecker) nachgeaefft wurde- dann sehen wir: Die Grossen
benutzen ihre Sprachidentitaet, um sich ein (wenn auch diskutables)
Profil zu verschaffen. Man wird das Gesagte leichter memorieren.
Wenn die Nachrichten in Deustchland die Hauptstadt Tschetscheniens
"Kross-nie" statt "Grr(rollend)os(stimmhaft)-nuej"aussprechen, dann
wird man sich ihrer erinnern.
Postmoderne ist die Rueckkehr zur Einsicht, dass ein bisschen
Asymmetrie vollkommener macht. Die Kunst der Moderne hat sich in vielen
Faellen noch nicht einmal vom Rahmen trennen koennen. Nur einmal (im
modernen Museum Stockholm) habe ich einen ueberzeugenden Vorschlag
gesehen: Die untere Kante des Rahmens fehlte. Stattdessen hing das
bemalte Tuch herunter, war zerfranst und in Streifen geschnitten. Der
Windzug konnte das bewegen und Licht konnte in staendig verschiedenen
Winkeln auf dieses "bewegte Bild" fallen. Ein anderes Beispiel: Wenn
man sich den Luxus leisten kann ein Programm zu entwickeln, das jeden
Buchstaben des Zeichensatzes "Times" individuell ausformt (und sie z.B.
nur minimal verschieden gross und dick macht, sodass das ganze am Ende
aussieht, wie ein Druck aus dem 18.Jh.), dann wird aus dem was sonst
jedem anderen Text gleich saehe, ein unikes Dokument. Was spricht
dagegen, solche Dokumente, auch in oeffentlichem Gebrauch zu verwenden?
Standardisierung war womoeglich ein notwendiger Evolutionsschritt, der
aber in der Postmoderne seine Dringlichkeit verliert. Dass Weiss
ordinaer ist, dass das Verschwommene schaerfer sein kann, als ein
perfektionistisch gescanntes Bild- das muessen wir anscheinend noch
verbreiten.
"Die Symmetrie ist die AEsthetik der Dummen", sagte einmal einer meiner
Kameraden, Martin Jordan.
Und das Gleiche gilt fuer die Sprache. Die Saeuberungsaktionen der
Grammatiker und Akademien, die Struktualisierung der Richtigkeit,
liessen der schoensten aller Freiheiten, der dichterischen, keinen
Raum. Und alles, was mich naeher dem Ursprung und der Idylle fuehrt,
ist Lyrik.
Der Schneesturm kam ueber 5 Minuten und die Eifelhoehen sprengten den
Horizont, hier fahren wir entlang eines schmalen Wegs in schmalen
Spuren. Hier wird mir bewusst, dass die seltsame Sprache dieser Gegend
in sich lyrisch ist, denn sie ist "falsch", sie ist nicht
perfektionistisch, jedes Dorf hat eine eigene. Sie ist deshalb
geeigneter fuer die Postmoderne als das Hochdeutsche oder das
Englische. Sie gibt eine individuelle Identitaet.
Die Kritiker der modernen Kommunikationskultur machen oft geltend ihr
Problem sei, dass der boese Staat (oder sonstige Wuestlinge in Bezug
auf Persoenlichkeitsgrundrechten) digitale Gespraeche (z.B. via
Internet) leichter abhoeren und kontrollieren koenne. Hier lohnt es
sich aber vor Augen zu fuehren, dass dies nur ein Problem ist, wenn
auch alle anderen ausser Sender und Empfaenger den benutzten Code fuer
unmissverstaendlich halten. Die Phantasielosigkeit von Sender und
Empfaenger in der Wahl des Codes muss hier herhalten fuer ein Argument
gegen die digitale Kommunikation. Das umgekehrte ist aber der Fall: Die
digitale Kommunikation ist eigentlich ein Argument gegen die
Phantasielosigkeit!
Denn Phantasielosigkeit ist ein UEbel der Moderne!
Die Herausforderung der Postmoderne ist das, was fuer die "Vaeter des
Deutschen" alltaeglich war. Luther und Goethe, die kosmopolitische
Veraenderung bewirkten schafften einen internen und
unmissverstaendlichen Code dadurch, dass sie ihm einen regionalen
Praegel gaben. Hier sehen wir, dass Regionalismus kein Widerspruch zum
Globalen oder reaktionaer sein muss. "Eisch sinn enn Koessmopoliit" (-
in Trier im Bus gehoert!) ist eben kein Widerspruch in sich: Bohemisch
zu sein heisst eben nicht auf dem ganzen Planeten (eurozentristisch)
dasselbe zu erwarten, sondern nach Bestaetigung fuer die
Verschiedenheit, fuer das Besondere eines Landes zu streben und zu
suchen (das Unvollkommene gestehst du so leichter ein).
Wenn ich jetzt also meinen Code moselfraenkisch veraendere, verkleinere
ich die Chance einer eventuellen UEbermacht (die ein hypotetisches
Interesse und eine diskutable Moeglichkeit hat) meine Kommunikation zu
kontrollieren. Auf der anderen Seite wird gerade mein Schiff im Meer
der Informationen hervorgehoben.
An anderer Stelle habe ich das so formuliert: "Je interner und
unmissverstaendlicher der Code, desto groesser die Aussicht auf
Gelingen." Sich diesen zu schaffen bedarf es Kreativitaet und (auch
nicht zu knapp) Humor. Zumindest ist das einer der einzigen Vorteile
und Chancen der jetzigen und zukuenftigen Informationskultur: Sie gilt
phantasievoll durchdrungen zu werden.
Die leichte Unschaerfe eines Dialektes gibt einen individuellen
Praegel, der sich aus der Sturmflut des gebuegelten Perfektionismus
erfrischend hervorhebt. Da, wo bretonisch sprechenden Kindern die
Narrenkappe aufgesetzt wird, da, wo emsige Deutschlehrer anstreichen
und ein rotes A an den Rand schreiben, faengt meine Welt an!
Wenn ich das tue, was ich einmal die Zusammenstellung eines eigenen
"Gegenwartsensembles" genannt habe und das auf die Sprache projeziere
hiesse das z.B.: Mich einer Sprachform zu bedienen, die vielleicht
rueckstaendig und nicht am pragmatischsten ist und sie mit einem der
modernsten Kommunikationsformen, dem e-mail zu verbinden. Das gibt dem
ganzen eine unerwartete, anachronistische Brechung und bedeutet, dass
das Kommunikationszeitalter den Geist ueberhaupt nicht versklaven muss.
Dasselbe koennte das modernste Neudeutsch geschrieben mit karolinischen
Minuskeln und per FAX geschickt bedeuten. Der Phantasie sind keine
Grenzen gesetzt. Sie dient dem Individuum zu seiner distinguierten
Verwirklichung.
Geschichte ist ja keine lineare Entwicklung, sondern gleichzeitige
Loesungsbeschreibung.
Der "Mertes-Effekt" schuetzt vor ungewolltem Mitkommunizieren anderer,
wie er auch durch seinen eigenwilligen Blickwinkel andere zum Denken
bringt und vor allen Dingen eine UEbermacht (imaginaer oder konkret)
aushebeln kann. Der "Mertes-Effekt" soll also nicht nur oder
ausschliesslich fuer die Verwendung des Moselfraenkischen plaedieren;
das eifeler e-mail beschreibt , wie wir im Allgemeinen uns dessen, was
uns scheinbar ohnmaechtig machte bemaechtigen.
Die digitale Entwicklung scheint ihrer Nachvollziehbarkeit
davonzueilen. Das stimmt bisweilen sehr nachdenklich. Aber wenn sie nun
existiert, dann sitze ich an meinem Holzofen und schicke e-mails in
alle Welt, genauso wie ich es nicht tun koennte. Die Rueckkehr zum
Urspruenglichen faellt leichter, wenn mein Aufentaltsort relativer
geworden ist, wenn ich nicht mehr dem Diktat der Produkte (und deren
Konsum) des Industriezeitalters unterworfen bin. Wenn ich meinen
Unterhalt dadurch verdienen und rechtfertigen kann zu kommunizieren,
ganz uebertrieben abstrakt gesehen, ist der Fanatismus der Moderne ganz
veraltet. Reaktionaer.
Autofahren ploetzlich romantische Schwaermerei.
Ich hoffe die Tage einmal erleben zu koennen, an denen man es geradezu
laecherlich findet. Die Tage in denen allen die Moeglichkeit gegeben
wird, die individuellen Loesungen zu verwirklichen. Das Zeitempfinden
wird sich veraendern, wenn alle begriffen haben, dass Fortschritt
ausschliesslich ein individuelles Phaenomen sein muss. A_____s
O________s (aos).

(källa)

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