tisdag 19 februari 2013

V1-DS - Sprachgeschichte und -vergleich (4&4.1)

Der Verb-erst-Deklarativsatz in sprachgeschichtlicher und sprachvergleichender Perspektive

4.        Die germanischen Einzelsprachen: Verb-erst-Stellung im selbständigen Dekla­ra­tivsatz

In diesem Abschnitt soll untersucht werden, inwieweit sich in den germ. Spra­chen die Existenz der V1-Stellung im selbständigen DS nachweisen läßt. Die oben skizzierte Entwicklung der Verbstel­lung vom Idg. zum Urg. (und zum Got.) hin läßt die Vermutung als plausibel erscheinen, daß die V1-Stellung in den germ. Sprachen weiter existiert – quasi unberührt von der Entwicklung der grund­legenden Verbstellung von VL nach V2 (bzw. engl. auch V3) hin. Ob eine solche Vermutung durch die sprachlichen Tatsachen zu rechtfertigen ist, soll im folgen­den erarbeitet werden. Dabei wird der Übersichtlichkeit hal­ber nach Einzelsprachen gegliedert;[1] innerhalb dieser Teil­ab­schnit­te wird jeweils chro­nolo­gisch vorgegangen.

4.1.     Das Deutsche

Neben der jeweils grundlegenden Verbstellung im selbständigen DS hat es im Dt. von Anbeginn der Überlieferung auch den V1-DS gegeben. In chronologischer Hinsicht gilt dabei nach Diels (1906:130), daß der V1-DS in den älteren Denk­mä­lern häufiger ist als in den jüngeren. Nach Ebert (1978:37) begegnet der V1-DS in der Poesie häu­fi­ger als in der Prosa.
 
            In seiner bis heute für die Frage der Geschichte der V1-Stellung im Dt. maß­geblichen Arbeit[2] stellt Maurer (1924) fest:
1. Es gibt im Althochdeutschen in weiterem Umfang den Typus der reinen Anfangs­stel­lung des Verbs.
2. Dieser Typus nimmt vom 9. bis zum Ende des 10. Jahrhunderts stark ab.
3. Er ist nicht auf eine einzige Gruppe von Verben beschränkt. (Maurer 1924:151f.)
Nach Maurer ist im Ahd. “die Anfangsstellung des Verbums auch im Aus­sage­satz ein durchaus ge­bräuchlicher Typus” (ebd.:183). Diese Auffassung wird von einer Vielzahl von Forschern geteilt und darf als unkontrovers gelten.[3] Zur Illustra­tion seien einige Belege ahd. V1-DS an­geführt.[4] Zunächst aus dem Isidor[5], dem Tatian[6] bzw. aus dem Werk Notkers[7]:
(A:8)      beit noh dhuo dher aluualdendeo, dhazs ir sih auur dhurah hreuun mahti chigarauuan zi chinisti (Isidor, bei Fourquet 1938:130f.)
(A:9)      aaraugta sih imo gotes engil (Tatian, bei Penzl 1986:27)
(A:10)    Ercham sih tô der driu houbet habento turo-wart sus ungeuuones sanges. (Notker, Boethius 241,3, bei Näf 1979:141)
Aus der Poesie werden häufig Belege aus Otfrid angeführt; vgl. z.B.:[8]
(A:11)    gisah tho druhtin einen man (Otfrid 3,20,1, bei Erdmann 1881:193)
(A:12)    fuar thô druhtîn thanana (Otfrid 2,15,1, bei Erdmann 1886:187)
(A:13)    gisceident sih in alawar herero inti thegan thar (Otfrid 5,20,43, bei Schrodt 1983:122)
Vereinzelt wird auch auf Belege in anderen ahd. Denkmälern hingewiesen; vgl. z.B.:[9]
(A:14)    suilizot lougiu der himil (Muspilli 53b, bei Morris 1989:134)
(A:15)    Kuning uuas ervirrit, Thaz rîchi al girrit, Uuas erbolgan Krist (Lud­wigslied 20, bei Schulze 1892:45)
(A:16)    Lesen uuir, thaz fuori ther heilant fartmuodi (Christus und die Sama­ri­terin, bei Grimm 1898:1273)

Gegen Ende der ahd. Zeit, im Übergang zum Mhd., scheint die Häufig­keit der V1-Stellung im selbständigen DS deutlich abgenommen zu haben. Als ver­ein­zel­te spätahd. Belege aus der zweiten Hälfte des 11. Jh. können ange­führt wer­den:[10]
(A:17)    cunnon alle mahtigen vehtan (Williram 51, 4, bei Brodführer 1906:28)
(A:18)    gesah in got (Memento mori, bei Diels 1906:131)

Biener (1926:248) spricht vom “verschwinden des typus in spätahd. zeit”; “it vanished completely within the period of early MHG”,[11] schreibt Adolf (1944:75).[12] Dieser Standpunkt ist von mehre­ren Au­to­ren eingenommen worden.[13]
            Nimmt man diese Forschung beim Wort, so liegt es zweifelsohne nahe, für die sich an das Ahd. an­schlie­ßende mhd. Periode mit einem gänzlichen Fehlen des V1-DS zu rechnen. Von einer völligen Abwesenheit der V1-Stellung im selbständigen DS des Mhd. wird auch von manchen For­schern aus­gegangen.[14] Es mag der Anschein entstehen, als ließe sich der V1-DS nach der oben ge­schil­der­ten Ent­­wick­lung zu Ende der ahd. Periode für mehrere Jahrhunderte kaum be­legen. Der Eindruck bestätigt sich, wenn man Stichproben vornimmt. Bei der Lek­tü­re der Sammlung dt. Prosa des 11. und 12. Jh. von Wilhelm (1914 [1960]) konnte ich keine Belege für V1-Stellung im selbständigen DS fin­den. Auch die Pro­sa­texte des 12. bis 14. Jh. bei Naumann (1916) bieten kei­ne Be­le­ge.
            Nicht alle Autoren verfahren allerdings zum Mhd. gleichermaßen kate­go­risch wie die so­eben zi­tierten, sondern betrachten den V1-DS vielmehr als ei­nen seltenen, aber doch immerhin möglichen Typ im Mhd.[15] Daß eine vor­sich­tigere Einschätzung ge­recht­fertigt ist, wird auch durch die Tatsa­che ge­stützt, daß in der Fachliteratur durch­aus mhd. Belege für den V1-DS be­geg­­nen. Aus dem 12. Jh.:[16]

(A:19)    nu segen was dc sanc si. ist iz sanc allir sange
(A:20)    daz kit: ist ungewarlicher der sich an dc ovge stozit danne den fz
(A:21)    lovet dig cherubin, eret dig seraphin
(A:22)    meinet du ruode dig, heilig megedin, bedudet du bluome din drut­kindelin
(A:23)    Schein van deme busche daz fur
(A:24)    gruonede daz louf in deme fure, bluode din mageduom in der ge­burte
Aus dem 13. Jh.:[17]
(A:25)    sprach ein maget (meit) (zweimal bei Neidhart, Maurer 1924:153f.)[18]
(A:26)    sprichet Sant Paulus (St. Georgener Prediger 164, 17, bei Behaghel 1932:37)

Biener (1922b:178) gibt an, bei Stichprobenauswertung von Hartmanns Iwein[19] ei­nen V1-DS-Be­leg gefunden zu haben.[20] In einigen Fort­set­zun­gen der Sächsischen Weltchronik (um 1230) hat Biener (1922b:178) den V1-DS je­weils einmal be­legen kön­nen.[21] Aus dem 14. Jh. läßt sich bele­gen:[22]
(A:27)    sprach unser herr (Tauler 295, 35, bei Behaghel 1932:37)
Aus der ersten Hälfte des 15. Jh.:
(A:28)    bestreit sie der Tot vnd begrub sie alle (Ackermann aus Böhmen, XVI, 31, bei Swinburne 1953:413)[23]
(A:29)    sprach her Egg: das ist … (Wittenweilers Ring, V. 9037, bei Maurer 1926:201)
(A:30)    de kyrche mit gedeckit was. verbrante ir vmganc vnd ir pistyre (Köl­ner Jahrbücher, bei Küpper 1971:81)[24]

Wenn man also offenbar festhalten muß, daß der V1-DS in der schrift­li­chen Über­lieferung aus mhd. Zeit wohl seltener ist als in den vorangehenden und nach­folgenden (vgl. unten) Sprach­pe­rioden, so stellt sich die Frage, warum dies so sein könnte.
            Wie oben schon erwähnt, geht v.a. Maurer (1924, 1926) von einem völligen Aussterben der V1-Stellung im DS, wie sie sich noch in ahd. Zeit fand, aus; demnach sei der V1-DS in mhd. Zeit im Dt. nicht mehr existent gewesen. Diese Auf­fas­sung – mitsamt der daraus folgenden Annahme, die im Spät­mhd./Fnhd. ver­stärkt auftretende V1-Stellung sei mit der älteren überhaupt nicht verwandt (vgl. un­ten) – hat sich in der Forschung “im großen und gan­zen durchgesetzt”, wie Auer (1993:220, Anm. 29) hervorhebt.
            Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß gewisse litera­ri­sche Konventionen u.U. zum Ver­meiden einer Konstruktion in der Schrift­- und der Dichtersprache füh­ren können, die nicht unbedingt die allgemein gül­tige Sprachnorm wiedergeben. Für das Mhd. bemerkt Braune (1894:48) zu dieser Frage, daß die mhd. Literatur sich nicht auf die lebendige Sprache jener Zeit stützt. Ähn­lich Frey (1946:48): “On the whole, the authors of early German writings, in­cluding those of the MHG period, do not give a true picture of the spoken language of their day”.[25] Folglich wendet sich Curme (1925) gegen den Schluß Maurers, das Mhd. habe den V1-DS im selb­ständigen Satz nicht (mehr) gekannt:[26]

While in the literary language of the M.H.G. period there was always a formal particle here [= satzinitial], the older usage with the verb in first place was doubtless wide-spread in popular speech. (Curme 1925:256, Hervorh. OÖ)
Auch Biener (1926) wendet sich gegen Maurers rigorose Hypothese, an deren Stelle er ein anderes Bild setzt: er gibt zu bedenken, er zweifle
daran, ob Maurer mit seiner ablehnung jedes zusammenhanges zwi­schen den beiden grup­pen von an­fangs­stel­lun­gen recht hat. es wäre doch denkbar, dass dieser sprach­ge­brauch, möglicher weise in gesell­schaft­lichen nie­de­run­gen, die zeit überdauerte, wo er in den besseren kreisen nicht geduldet und darum von schriftlicher fest­le­gung aus­ge­schlos­sen war. (Biener 1926:254)
Diesen hier referierten vorsichtigeren Hypothesen zum V1-DS, die z.T. auch in der heu­ti­gen For­schung vertreten werden,[27] ist m.E. ge­gen­über der strikt ablehnenden Haltung Maurers der Vorzug zu geben. Dies auf jeden Fall solange, bis die Datenfrage durch umfassende Erhebungen ge­klärt ist.

Während sich zum V1-DS in der mhd. Zeit, wie dar­getan, in der Forschung ge­wis­se Unstimmigkei­ten finden, so ist man sich i.a. darüber einig, daß dieser Typ im Fnhd. weit verbreitet gewesen ist;[28] nach Biener (1926:254) ist “die anfangsstellung zwischen 1450 und 1600 wider recht be­liebt”. Dabei sieht die Belegsituation so aus, daß von den frühesten Be­le­gen mit V1-Stellung im DS die Mehrzahl sol­che mit verba dicendi sind, z.B.:[29]
(A:31)    antwirt die Künigin (Steinhöwel, Appolonius, 1461, bei Maurer 1924:163)
(A:32)    Antwurt der weis man gar geduldigklich (v. Eyb, Ehebüchlein, 1472, bei Maurer 1924:162)
(A:33)    Sagt man der Hund spräche zuo dem dieb: … (Steinhöwel, Äsop, um 1475, bei Maurer 1924:164)
Es kommen jedoch durchaus auch andere Verbtypen vor; einige Beispiele, eben­falls aus der zweiten Hälfte des 15. Jh.:[30]
(A:34)    Schanckten ir mein Herrn hie ain vergolte Scheirn (Landshuter Rats­chronik, bei Maurer 1926:203)
(A:35)    Hiess der ein Senespa und der ander Theneba. (v. Pforr, Buch der Bei­spie­le, um 1475, bei Maurer 1924:168)
(A:36)    Gesellet sich zu im ain hübsche frow. (Tünger, Facetien, 1486, bei Mau­rer 1924:170f.)
Eine weitere Zunahme der Frequenz des V1-DS wird dann im – nicht zuletzt auch sprachlich ein­flußreichen[31] – Werk Martin Luthers (1483-1546) deut­lich; nach Franke (1922:68; Her­vor­h. i.O.) “stellt Luther zuweilen auch im er­­zäh­len­den Hauptsatz die ge­bo­ge­ne Zeit­wort­form an die erste […] Stel­le”.[32] Ei­nige Belege:[33]
(A:37)    Beschieden sie sich zusamen; … (Luther, bei Franke 1922:68)
(A:38)    spricht nun das samaritische weib zu ihm (Luther, bei Grimm 1898:1274)
Aber auch in der nicht-geistlichen Literatur des 16. Jh. finden sich Belege für die V1-Stellung im DS.[34] Aus dem 17. Jh. können dann u.a. angeführt wer­den:[35]
(A:39)    Mussen wir also entweder durch abschlagen ihre feindschafft erwarten, oder … (Opitz, bei Schultze 1903:31)
(A:40)    Hat demnach der Edelmann mehr Ere von seinem Sitzen (Simpli­zis­si­mus, 1669, bei Biener 1926:249)
Es läßt sich festhalten: Ab etwa der Mitte des 15. Jh. nimmt die Verbreitung des V1-DS in den über­lie­­ferten Quellen des Dt. zu. Umstritten ist allerdings in der Forschung die Frage ge­wesen, ob man bei dieser Zunahme an Belegen von einer Art Wiederaufleben der älteren V1-Stel­lung, wie sie sich im DS der ahd. Zeit fand, ausgehen oder ob man von einer Kon­struk­tion gänz­lich anderer Art spre­chen soll (vgl. a. oben zum Mhd.).
            Die These Maurers und Behaghels von der lateinischen Beeinflussung des Dt. in be­zug auf den V1-DS ist dabei sehr einflußreich ge­wesen: “Der la­tei­ni­sche Ein­fluß spielt eine Hauptrolle”, meint Mau­rer (1924:184). Diese Au­toren neh­men an, daß zwischen der V1-Stellung des Ahd. und der des Spät­mhd./Fnhd. kein Zu­sam­men­hang besteht;[36] vgl. z.B. Behaghel (1932:37):[37] “Mit dem späte­ren Ahd. ist […] die Spitzenstellung des Verbs unter­ge­gangen. Im späte­ren Mhd. tritt sie wieder auf, aber ohne Zusammen­hang mit der älteren”.
            Wie Auer (1993:220, Anm. 29) deut­lich macht, kann diese Posi­tion – trotz bereits früh ein­set­zen­der und dann auch lang­an­hal­ten­der Kritik – im großen und ganzen noch immer als erstaun­lich weit­ge­hend ak­zeptiert gelten. Nicht zuletzt deswegen ist sie hier etwas ausführlicher zu diskutieren. – Es gibt al­lerdings durchaus Anlaß zu fun­da­mentaler Kritik ge­ne­rel­ler Art am Ansatz Mau­rers, der u.a. V1-DS wie Kam da ein Mann und sagte … aus sei­nen Untersuchungen gänzlich aus­schließt, indem er sie einfach wegerklärt – er teilt sie der “Gruppe der erregten Rede” zu, in der “ja die Gesetze des nor­malen Satzbaus überhaupt nicht gel­ten” (1924:144f.); s. hier­zu näher oben.
            Die Hypothese Maurers läuft darauf hinaus, daß die Verb­stellung im V1-DS aus einer “Ver­stei­ne­rung” des Verb­stel­lungs­musters in solchen eingeschobenen Sätzen mit V1-Stel­lung her­zu­leiten ist, in denen verba dicendi auf­treten.[38] Es wird von der Be­obach­tung ausgegan­gen, daß der V1-DS in mhd. Zeit selten ist, während er im Fnhd. v.a. mit verba dicendi auftritt. Diese Datenlage wird von Maurer so ge­deu­­tet, daß der V1-DS im Mhd. ein nicht exi­stierender Typ ge­we­sen sei, der V1-DS des Fnhd. also ein neu ent­stan­de­ner Satz­typ, der mit dem V1-DS des Ahd. nicht in Verbindung zu bringen sei.[39] Demnach soll der – auch im Mhd. vielfach belegte[40] – Typ der V1-Stellung bei Ein­schüben mit verba dicendi sozu­sagen das Muster gewesen sein, nach dem der V1-DS gebildet wurde.[41] Vgl. Maurer (1926):
Die Versteinerung im Einschubsatz bei den Verba des Sagens ist der wich­tigste Aus­gangs­punkt; das betone ich nochmals ausdrücklich […] Der Vor­gang, daß der Ein­schub sagte der Mann ver­stei­nert, als Ganzes aufgefaßt und als sol­ches vor die Aus­sa­ge gestellt wird, beruht auf psychologischem Grun­de. (Mau­rer 1926:211f., Her­vorh. i.O.)
Nachdem dieser Typ etabliert gewesen sei, habe er durch eine Art der Analo­gie­wirkung[42] auch mit anderen Verben verwendet werden können.[43]
            Maurers nicht unprob­lematische Hypothese wurde in der Literatur mehrfach und dann kürzlich auch von Auer (1993) starker Kritik unterzogen.[44] Dieser Kritik an der “Versteinerungsanalyse” ist m.E. prinzipiell zuzustimmen. Maurers An­a­ly­se er­scheint ad hoc eingeführt und deckt eigentlich, wenn über­haupt, nur Fälle mit verba dicendi ab. Zwar ist es natürlich letztlich sehr schwie­rig, ein­deu­­tig zu ent­schei­den, ob der von Mau­rer po­stu­lier­te “Ver­stei­ne­rungs­pro­zeß” in die­ser Weise tat­säch­lich statt­ge­fun­den ha­ben kann. Mir scheint seine Hypo­the­se jedoch kaum at­trak­tiv zu sein. Denn ab­ge­se­hen von der (was den V1-DS im Dt. be­trifft) z.T. leider immer noch recht unklaren sprach­­ge­schicht­li­chen Daten­lage ist m.E. der Ein­druck nicht von der Hand zu wei­sen, daß hier ein Er­­klä­rungs­mo­dell – sog. “Ver­­­stei­ne­rung” und dann die an­schlie­ßende Ver­schieb­bar­keit des “Ver­­stei­ner­ten” – ein­ge­­­führt wird, das aus­schließ­lich der Ab­deckung gerade des V1-DS dient. Nicht zu­letzt müß­­te aber in diesem Zusammenhang auch die Frage noch nä­her ge­klärt wer­den, wel­che Struk­tur für die eingeschobenen Sätze selbst anzunehmen ist. Mau­rer (1924:143) betrachtet sie als V2-DS; even­tuell könnten sie aber zu­grun­de­lie­gend als V1-DS an­aly­siert wer­den.[45]

Im Gegensatz zu der recht kategorischen Position[46] Maurers bzw. Behaghels betonen andere For­scher den Gedanken der Kontinuität in be­zug auf die Möglichkeit der V1-Stellung im DS des Dt. Nach Brug­mann kön­nen Belege wie Luthers spricht zu ihm das weib “ge­trost angesehen wer­­den als un­mittelbare Fort­setzung der ahd. Satz­­ty­pen, in de­nen ein pro­no­mi­nales Sub­jekt­wört­chen zur Satz­ein­leitung […] noch nicht benötigt war” (1917:42, Her­vor­h. OÖ). Burdach (1886:154) betont die Kon­ti­nuität vom Ahd. zum Dt. späterer Zeit: “Otfrids fuar tho druh­tin thanana, gisah tho druhtin einan man ent­spricht ge­nau und unmittelbar dem Goethischen sah ein knab ein röslein stehn”.[47]
            Wie schon oben erwähnt, ist es m.E. nicht ratsam, aus der Tatsache, daß der V1-DS im Mhd. nur spärlich überliefert ist, ohne weiteres den Schluß zu ziehen, er sei in der Sprache un­ge­bräuch­lich bzw. seine Verwendung nicht mehr mög­lich ge­we­­sen. So betont auch Adolf (1944:77; Her­vorh. OÖ):[48] “in spoken language survivals of the former freedom may have sub­sisted, linking the ele­venth century with the fifteenth”. Dabei schließt Adolf den von Maurer er­wähn­ten la­tei­ni­schen Einfluß nicht prinzipiell aus, bezieht ihn je­doch ausschließlich auf die Schriftsprache:
Perhaps one had better say that Latin influence helped to break, in written language only, the inveterate habit of avoiding the verb at the head of the sentence, whereas it would not have been able to affect popular speech too, if such a tendency had not sub­sisted in German spoken language. (Adolf 1944:77)
Dieser Standpunkt findet sich auch in neueren Arbeiten.[49] Der Annahme einer Kontinuität in bezug auf die Möglichkeit, im selbständi­gen DS die V1-Stel­lung zu verwenden, steht im Grunde haupt­sächlich die – aus un­ab­hän­gi­gen Gründen – dünne Be­legsituation des Mhd. entgegen. Dieses Defizit der For­schung reicht jedoch m.E. keineswegs aus, die Kon­ti­nu­i­täts­hy­pothese zu ent­kräf­ten.


In der nhd. Schriftsprache der letzten Jahrhunderte ist die V1-Stellung im selb­stän­digen DS eben­falls reichhaltig belegt. In der zweiten Hälfte des 18. Jh. etwa nimmt die Anzahl an Belegen für V1-DS wei­ter zu, indem die Dichter des Sturm und Drang die V1-Stellung gern ver­wen­den.[50] Paul (1919:72) zählt gar “die Vor­an­stellung des Verb[s] ohne es zu den charak­teri­sti­schen Eigenheiten der Sturm- und Drangperiode”. Mau­rer (1926:207) tut sie als bloße “Manier” ab, während Wun­der­lich/Reis (1924:102) der Auffassung sind, die Dichter des Sturm und Drang hät­ten die Konstruktion “aus älteren Quellen […] [bzw.] aus der Volks­sprache” auf­ge­nom­men – ihnen zu­folge gab es V1-DS zu dieser Zeit also auch in der münd­li­chen Sprache.[51] Einige Be­le­ge:[52]
(A:41)    Kam der Teuffel, sagte … Thät er dem auch also, schmiert eine gewal­ti­ge Menge Leim zu­sammen (Lenz, bei Wunderlich/Reis 1924:102)
(A:42)    vergingen ihr die Sinnen (Goethe, bei Burdach 1886:151f.)
(A:43)    saß ich früh auf einer Felsenspitze (Goethe, bei Dal 1962:174)
Auch in der Literatur des 19. Jh. finden sich bei den verschiedensten Schrift­stellern immer wieder V1-DS; hier seien nur einige davon erwähnt:[53]
(A:44)    Pfeifen auf einmal Kugeln genug um ihn her. (Hebel, bei Maurer 1926:210)
(A:45)    Hielt der Zigeuner die Pfeif' im Mund (Lenau, bei Blatz 1900:126f.)
(A:46)    schlief ich neulich in der Liebsten Hause (Rückert, bei Dal 1962:174)
Z.T. treten die Belege in Sequenzen auf:
(A:47)    War sie ein jung Blut, und hatte ihr der Pastor mehr Gutes als Böses von den Menschen erzählt. […] Wurde Andreas in den Wald geschickt auf Antrieb des Grafen; jubelte er mäch­tig, denn von je war's sein Wunsch gewesen, ein Jägersmann zu sein, und zog er so­gleich fort von See­­burg […] War ich damals nicht daheim, sondern im fremden Fran­zo­­sen­land […]; schlug ich mich herum in der Champagne … (W. Raa­be, Die Chronik der Sper­lings­gasse, S. 41, bei Poitou 1993:118)
Auch in den Volksliedern, die im 19. Jh. aufgezeichnet wurden, finden sich V1-DS.[54]

            Maurer (1926) stellt fest, daß der V1-DS zur Zeit seines Beitrags ein Stil­­merkmal der Witzblätter ist,[55] und gibt folgendes Beispiel:
(A:48)    Der Eigentümer müht sich …, Käufer … heranzulocken. Kommt ein halb­wüchsiger Junge vor­bei und ruft: … (Witzblatt, Maurer 1926:209)
Er interpretiert dies als “Fortleben des Stils der alten Schwankbücher […] des 15. und 16. Jahrhun­derts” (ebd.:209); Brugmann (1917:40, Anm. 2) führt einen ähn­li­chen Beleg aus einer Tageszeitung an.[56] Maurer findet den V1-DS weiter in zeit­ge­nössischen Romanen.[57] Grubačić führt mehrere Belege aus einem Kor­pus literarischer Texte des 20. Jh. an, u.a.:[58]
(A:49)    Liegen übereinander Obersten und Ritter, die haben wir hinmachen dürfen (H. Mann, bei Gru­bai1965:54)
(A:50)    Hatte der Wirt vor unzähligen Jahren diese Tür auf den Schultern in den Wald geschleppt, nachdem … (A. Seghers, bei Grubačić 1965:54)
Nicht selten trifft man die Meinung an, im heutigen Dt. sei die V1-Stel­lung im DS schriftsprachlich nicht (mehr) möglich; vgl. z.B. Sasse (1995:30): “Written Ger­man has a strict word order rule which does not permit clause-initial verbs in declarative utterances”. Wie ersichtlich, lassen sich je­doch vielfältige Belege für diesen Typ beibringen. V.a. aber dürfte er heute wohl gerade in der ge­spro­­che­nen Sprache beheimatet sein. Zu den Verwendungsweisen des V1-DS im (auch ge­spro­che­nen) heu­ti­gen Dt. verweise ich an dieser Stelle ausdrücklich auf Kapitel 6. oben, wo sich auch zahl­rei­che Be­lege finden.
           
Aus dem vorgenommenen Überblick dürfte ersichtlich gewor­den sein, daß die V1-Stellung im DS des Dt. von alters her eine immer wieder ver­wen­dete Verb­stellungs­mög­lichkeit ist. Sie ist aller Wahr­scheinlich­keit nach aus den Vor­läufern der germ. Sprachen ins Ahd. über­nommen wor­den, wo sie von Be­ginn an eine gegenüber der grundlegenden Verbstellung mar­­kier­te Mög­lich­keit der Verb­stel­lung gewesen ist.
            Die Verwendung dieses Typs ist, soweit dies aus der Überlieferung zu er­schließen ist, im Laufe der Sprachgeschichte des Dt. eigentlich nur vor­über­ge­hend während der mhd. Zeit ein­ge­schränkt gewesen; diese tem­po­rä­re Ein­ge­schränkt­heit der Verwendung des Typs kann u.U. am ehesten auf sprach­sozio­lo­gi­schem Hin­tergrund (z.B. Nichtbeliebtheit gewisser Konstruktionen in höfi­scher Sprache u.ä.) erklärt werden und muß keinesfalls etwas mit Sprach­wid­rigkeit zu tun ge­habt haben.
            Die V1-Stellung im DS ist bis auf den heutigen Tag eine der tatsächlich ver­wen­deten Verbstel­lungs­mög­lichkeiten des Dt. Aufgrund dessen ist es m.E. durchaus plausibel, sie – neben der V2- und der VL-Stellung – als ein zen­trales Phänomen der dt. Sprache zu verstehen.

Zu Ende dieses Abschnitts seien einige sehr kurze Bemerkungen zum Niederdeutschen gemacht. Als im Zusammenhang dieser Untersuchung v.a. wichtig bleibt fest­zu­hal­ten, daß im As., dem ältesten be­l­egten Stadium des Niederdt., deklarative V1-Stel­lung häufig vorkommt; vgl. Fourquet (1938:200) zum Hêliand: “Le type à ver­be initial est largement représenté”.[59] Der Typ erscheint nicht selten in Sequenzen; vgl. Hopper (1975:52). Ein Beispiel:[60]
(A:51)    Skrêd lioht dages, / sunna warđ an sedle; thê sêolîđandion / naht neбlu bi­warp; nâthidun erlôs / forđwardes an flôd: warđ thiu fiorđa tîd / thera nahtes kuman – […] – thô warđ wind mikil, / hôh weder afhaбan: hlamô­dun ûđeon, / strôm an stamne; strîdiun feridun / thea werôs wiđer winde: was im wrêđ hugi, … (Hêliand, 2908-2916, bei Ries 1880:20)
Die Verbstellungsverhältnisse im Mittel- und im Neu­niederdt. dürf­ten, wie be­reits er­wähnt, denen des Hochdt. der jeweils entsprechenden Zeit ähn­lich sein. Die Fach­literatur ist auf diesem Gebiet je­doch nicht um­fang­reich, so daß ich kei­ne An­halts­punkte für ein evtl. Vorliegen deklarativer V1-Stel­lung habe fin­den können.



[1]Hier wird das Fries. ausgeschlossen, da mir keine Anhaltspunkte vorliegen, ob im Fries. V1-Stellung im selbstän­digen DS möglich (gewesen) ist. Diese Möglichkeit wird jedenfalls in der oben zum Fries. zitierten Literatur nicht er­wähnt. Da­her möchte ich mich zum V1-DS im Fries. nicht äußern.
[2]In der allerdings – was häufig leider nicht genügend beachtet worden ist – Maurer von An­fang an Sätze wie Kam da ein Mann und sagte … kategorisch aus seiner Untersuchung aus­schei­det (s. Maurer 1924:144f.) und damit deren Basis, wie auch m.E. den Wert seiner Ergebnisse, deut­lich schmälert. Maurers “Begründung” dieses Verfahrens: “ich erkläre die­se Fäl­le so, daß ich sie Erdmanns Gruppe der erregten Rede zuteile […]: in dieser gelten ja die Gesetze des nor­ma­len Satz­baus über­haupt nicht” (ebd.:145). In den verbleibenden Fällen, in denen “nicht in Er­re­gung” gespro­chen wird, möch­te Mau­rer “an eine Konta­mination denken: man beginnt mit ei­ner Frage (und also der entsprechenden Stel­lung), geht aber dann in Aussage über” (ebd.). So auch Maurer (1926:201).
                Vgl. auch die völlig berechtigte Kritik von Hall (1979:273, Anm. 13): “Maurer seems to have started his investi­ga­tion with the thesis that all verb initial, non-question structures are in some way aberrant […] what he is trying to do is not explain the structures which he does find but rather explain them away”. Kritik auch schon bei Curme (1925), Öhmann (1925), Biener (1926:248ff.) sowie kürzlich bei Auer (1993:220, Anm. 29); vgl. a. Ries (1926).
[3]S. beispielsweise Schulze (1892:37), Reis (1901:230), Manthey (1903:53), Paul (1919:71), Biener (1926:254), Mausser (1933:1056), Fourquet (1938:131), Dal (1962), Lewy (1964:88), Lock­wood (1968:256), Smith (1971:82ff.), Fleischmann (1973:220), Ebert (1986:102).
[4]Aus Platzgründen kann hier nur eine sehr stark begrenzte Auswahl an Belegen gegeben werden.
[5]In der Prosa des Isidor gibt es nach Fourquet (1938:130f.) vier Belege, in denen gegen die lateinische Vorlage V1-Stel­lung verwendet wird. Vgl. Star­ker (1883:3), Rannow (1888:114), Reis (1901:224f.), Maurer (1924:149f.), Muel­ler (1930:71), Näf (1979:145f.).
[6]Im Tatian findet Ruhfus (1897:72) 112 Fälle von V1-Stellung im selb­stän­di­gen DS gegen oder ohne lateinische Vorlage. Vgl. Maurer (1924:149). Weitere Belege u.a. bei Ruhfus (1897), Penzl (1986:27).
[7]Bei Notker läßt sich eine größere Zahl von V1-DS finden, s. Diels (1906:111), Näf (1979:142); anders Maurer (1926:151). Belege u.a. bei Manthey (1903:53), Diels (ebd.), Wunderlich/Reis (1924:101), Näf (ebd.:139), Valentin (1994:286). Die ältere Forschung hat in Notkers Marcianus Capella 12 bzw. 13 Belege für den V1-DS ge­funden; s. Näf (ebd.:142).
[8]Weitere Belege bei Ohly (1888:10ff., 41f.), Paul (1919:71), Wun­der­lich/Reis (1924:101), Hirt (1934:220), Wun­der (1965:142). Nach Erdmann (1881:193) sind V1-DS bei Otfrid häufig, v.a. “gerade in einfach volks­mä­ßi­ger Er­zäh­lung”. McKnight (1897a:166) etwa zählt bei Otfrid 492 (!) nicht-negierte Sätze mit ‘indirect order with­out intro­duc­to­ry word’, d.h. V1-DS.
[9]S. zu weiteren Belegen aus den weniger umfangreichen Werken z.B. Diels (1906:130ff.), Krauel (1989).
[10]Vgl. a. Maurer (1924:150).
[11]‘MHG’ bzw. ‘M.H.G.’ steht in den englischsprachigen Zitaten für ‘Middle High German’ (= Mhd.).
[12]So auch beispielsweise Schulze (1892:38), Mausser (1933:1056), Schneider (1959:380), Lenerz (1984:130).
[13]Oft ist das Seltenerwerden des V1-DS sehr drastisch geschildert worden, wobei man den Ein­druck zu erwecken ver­sucht hat, der V1-DS sei nach der ahd. Zeit vorläufig völlig ver­schwun­den ge­wesen; z.B. wurde davon gesprochen, der V1-DS sei dem V2-DS “zum opfer ge­fallen (Biener 1922b:173), der V1-DS sei “vollkommen ausgestor­ben” (Maurer 1924:183), “ein­gegangen” (Kuhn 1933:68), “nahezu ausgerottet” (Schneider 1938:47), “untergegangen“ (Be­haghel 1932:37, Ebert 1978:38); Maurer (1926:182) spricht vom “Todesweg” (!) des V1-DS.
[14]So z.B. Erd­mann (1886:187), Naumann (1915:56), Maurer (1924:152), Lenerz (1984:130). – Auch in seiner Un­ter­su­chung der exklamativ verwendeten Sätze in Gottfrieds Tristan findet Näf (1992:52) kei­nen Beleg mit V1-Stel­lung; dieser Typ ist im Nhd. jedoch recht häu­fig, vgl. Kapitel 6., Abschnitt 6.5.
[15]In diesem Sinne vorsichtig äußern sich etwa Pieritz (1912:81), Wunderlich/Reis (1924:101), Paul/Mitzka (1960:175), Dal (1962:174), Michels (1979:260), Timm (1986:9).
[16]Die ersten beiden Belege entstammen den Trudberter Hohen Lied (6,5 bzw. 27,32, bei Pie­ritz 1912:81), die letzten vier dem Arnsteiner Mariengebet (bei Diels 1906:131). – Maurer (1924:152) unterläßt es, die Belege aus dem Trudber­ter Hohen Lied anzuführen! Dies obwohl er auf die Arbeit von Pieritz (1912) ausdrücklich hinweist (ebd.:Anm. 4). Auch in den “Nach­trägen zur Anfangs­stel­lung des Verbs” (1926:198ff.) fehlt jeder Hinweis auf diese Be­le­ge. Auch auf die vier aus Diels (1906) angeführten Belege wird von Maurer (1924, 1926) seltsamer­weise nicht hingewiesen.
[17]Die Predigten des Bruder Berthold von Regensburg aus der zweiten Hälfte des 13.Jh. hat Faß­bender (1908) ausge­wertet. Er führt (ebd.:26) einen einzigen Beleg mit V1-Stellung im selb­stän­di­gen DS an; mit Recht weist jedoch Mau­rer (1924:155) darauf hin, daß in jenem Beleg allerdings ein Subjekt fehlt. Er fährt fort: “somit ist auch bei Berthold kein derartiger Fall [= V1-Stellung] zu ver­zeich­nen”, ohne allerdings darauf hinzuweisen, daß Faßbender nur eine Aus­wahl aus Bertholds Pre­­dig­ten ausgewertet hat; s. Faßbender (1908:24, Anm. 1, ebd.:26, Anm. 1).
[18]Vgl. Behaghel (1932:37). Die Belege seien “aus den besonderen Verhältnissen bei diesem Dichter zu erklären”, meint Maurer (1924:183); worin diese “Erklärung” bestehen soll, geht jedoch leider nicht aus Maurer (1924) hervor. – Mau­rer (1926:201f.) er­wähnt noch einen weiteren Neidhart-Beleg, der eben­falls mit Sprach… beginnt.
[19]Zur Verbstellung bei Hartmann s. Huber (1956:23ff.); vgl. zu Gottfrieds Tristan Körner (1964:54ff.).
[20]Maurer (1924:154f.) erwähnt, er habe stichprobenartig u.a. neun Seiten des Lucidarius aus dem 12./13. Jh., elf Sei­ten des Sachsenspiegel vom Anfang des 13. Jh. sowie ver­schie­de­ne Teile von Predigten aus dieser Zeit durch­ge­se­hen, ohne auf V1-DS gestoßen zu sein. In allen diesen Texten “wäre durchaus Anfangsstellung möglich, wenn sie noch lebendig wä­re”, meint Mau­rer (ebd.:156). Kritik an dem in Maurer (1924, 1926) angewandten Stich­pro­ben­verfah­ren übt Ries (1926:165f.). – Natürlich kann aus der Tatsache, daß eine Konstruktion mög­lich ist, aber in einem be­grenz­ten Korpus nicht belegt werden kann, nicht per se ge­schlos­sen werden, daß sie nicht existent ist. In diesem Sinne kri­tisch auch schon Öhmann (1925).
[21]Belege aus diesen Werken auch bei Behaghel (1900b:238).
[22]Auch Behaghel (1900b:239) führt einige Belege des 14. Jh. an. Margetts (1969) findet in seiner Auswahl (vgl. ebd.:9) aus Meister Eckhart keine Belege, s. (ebd.:54f., Anm. 97).
[23]Nach Maurer (1924:157) kommen im Ackermann V1-DS nicht im Text vor, wohl aber in den Überschriften (in Hand­schriften ab 1470).
[24]Küpper (1971:25) setzt für die Kölner Jahrbücher als Entstehungszeitraum etwa 1375 bis 1450 an. Er bringt (ebd.:81) auch weitere Belege mit V1-DS aus diesen Quellen.
[25]Dieser wichtige Aspekt wird auch von Behaghel (1900a:229), Curme (1925:256) und Horacek (1953:282) hervor­gehoben.
[26]In diesem Sinne auch Pieritz (1912:81) sowie Hirt (1929:347f.).
[27]So z.B. Philipp (1980:95).
[28]So z.B. Curme (1922:461), Ebert (1986:102f.), Timm (1986:9), Hartweg/Wegera (1989:136), von Polenz (1991:298), Reichmann/We­ge­ra (1993:431).
[29]Eine Reihe von Belegen hierfür aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. fin­det sich u.a. bei Wun­der­lich (1890:182), Paul (1919:71), Maurer (1924:160ff.), Biener (1926:248ff.), Behaghel (1932:37f.).
[30]Weitere Belege dieser Art u.a. bei Maurer (1924:165, 176, 1926:203), Biener (1922b:178, 1926:248), Rockwell (1928:17), Behaghel (1932:38), Roloff (1970), Betten (1987:123).
[31]Wie Folsom (1985:149ff.) zeigt, halten sich seit Luther V1-DS in den dt. Bibel­über­setzun­gen bis ins 20. Jh. hin­ein, während die vorlutherischen Übersetzungen der Bibel den Typ kaum verwenden.
[32]Vgl. Erben (1954:13ff., 154ff.).
[33]Weitere Belege aus dem Werk Luthers bei Curts (1910), Paul (1919:71f.), Franke (1922:68f.), Maurer (1924:177f.).
[34]Diese können aus Platzgründen leider nicht im einzelnen aufgeführt werden. Belege aus dem 16. Jh. finden sich u.a. bei Behaghel (1900b:241ff.), Hammarström (1923:46, vgl. 223), Maurer (1924:176ff., 1926:204), Ebert (1978:38). Vgl. a. die Belege aus dem Werk von Hans Sachs und seinem Nach­folger Jacob Ayrer bei Kieckers (1915:6) und Paul (1919:72), s.a. Bie­ner (1922b:178, 1926:249), sowie die Belege aus Volksliedern des 16. Jh. bei Mau­rer (1926:206); s.a. Ebert (1986:102).
[35]Zu Opitz (1597-1639) stellt Schultze (1903:29) fest: “reine Anfangsstellung ist bei ihm noch recht häufig”. Zu Grimmelshausen vgl. Lovell (1912), zur Verbstellung im Simplizissimus auch Behaghel (1900a:227).
[36]Ähnlich hatte sich bereits Schulze (1892:1) geäußert.
[37]Daß Behaghel jedoch später einen gewissen Zusammenhang nicht mehr ganz ausge­schlos­sen hat, legt die folgende Passage nahe: “Dagegen war in der ältern Zeit die An­fangsstellung des Zeitworts weit verbreitet, und die Nachklänge dieser Freiheit reichen bis auf unsere Zeit.” (Be­hag­hel 1955:258).
[38]Vgl. zu ähnlichen Fällen zuletzt Reis (1995).
[39]S. hierzu Maurer (1924:184, Hervorh. i.O.): “Zwei Kräfte wirken neben- und miteinander: Der lateinische Ein­­fluß spielt eine Haupt­rolle. Aber er erklärt nicht, warum die Erscheinung auf Verba des Sagens be­schränkt ist. Der zweite Grund ist der, daß diese Verba schon in einer scheinbaren An­fangsstellung im Gebrauch sind, nämlich im Ein­­schubsatz. In Fällen wie “Das ist sehr schön”, sagte der Mann versteinert sagte der Mann zur Formel und wird als Gan­zes auch vor die direkte Rede gestellt”.
[40]S. z.B. Schulze (1892:49), Grimm (1898:1273f.), Faßbender (1908:26), Paul (1911:89), Pieritz (1912:13f., 80f.), Mau­rer (1924:152), Mausser (1933:1054), Huber (1956:24), Körner (1964:56ff.), Michels (1979:260).
[41]Zu der v.a. von Maurer (1924, 1926) und Behaghel (1932) propagierten Hypothese, die V1-DS des Fnhd. seien auf la­teinischen Einfluß zurückzufüh­ren, vgl. auch, daß Valentin (1994:286) Einfluß lateinischer Vorlagen bei V1-DS im Ahd. für nicht wahrschein­lich hält, was u.U. auch auf die fnhd. Zeit auszudehnen wäre.
[42]Zum Konzept der Analogie in der Entwicklung der Sprache s. Paul (1920:106ff.).
[43]S. Maurer (1924:175, 184, 1926:200), Behaghel (1932:37f.).
[44]“Insbesondere enthält Maurers Argumentation einen Denkfehler: er argumentiert näm­lich, die Verbspitzenstellung sei lediglich bei den Verba dicendi natürlich und habe dort, un­ter­stützt vom lateinischen Vorbild, ihren Ausgang ge­nom­men, weil im rede­an­füh­renden Ein­schub­satz die diesem vorangehende reportierte Rede gleichsam das Vor­feld aus­füllt. Seine Bei­spiele zeigen jedoch, daß das Verbum dicendi in den frühen Tex­ten meistens vor der an­geführten Rede steht, also Sagte x: ‘p’, nicht ‘p’, sagte x. Für diese Fälle kann die ‘psy­cho­logische’ Erklärung Maurers nicht zutref­fen” (Auer 1993:220, Anm. 29; Hervorh. i.O.).
[45]Ich verweise auf die ausführliche Diskussion in Reis (1995).
[46]Diese wird z.T. auch vorsichtiger formuliert als bei Maurer und Behaghel. Paul (1919:71) etwa bezeichnet es als “zweifelhaft”, ob der V1-DS des Ahd. mit dem des Fnhd. in Zusam­menhang zu bringen sei; ähnlich zurückhaltend Spitzer (1941:1161).
[47]Erben (1985:1343) stellt zum V1-DS fest, daß im Falle dieser Kon­struk­tion “das Frnhd. noch eher zum älteren Deutschen” stimme. Ähnlich Curme (1925:256).
[48]Vgl. a. Biener (1926:254).
[49]Hartweg/Wegera (1989:136) räumen ebenfalls die Möglichkeit lateinischen Ein­flusses ein, wol­len in ihm jedoch nicht den einzigen Faktor für die Zu­nahme der Verwendung der V1-Stel­lung im DS des Fnhd. sehen; ähnlich Erben (1954:14, Anm. 4), vgl. (ebd.:156) sowie Beri-Djuki. Nach Hartweg/Wegera ist auch der Einfluß der ge­spro­che­nen Sprache wichtig; d.h., die Autoren nehmen an, die V1-Stellung im DS habe in der gesprochenen Sprache kon­­tinu­ier­­lich existiert und von dort aus die Schriftsprache beeinflußt.
[50]Vgl. z.B. Adolf (1944:78), Mattausch (1965:156), Seidler (1985:2032). – Die V1-Stellung in Belegen dieser Zeit wertet Weinrich (1993:79) als “poetische Lizenz”, die “ziemlich oft” vor­komme.
[51]So auch Spitzer (1941:1161), Mattausch (1965:163, Anm. 2). Ohne Begründung meint allerdings Mau­rer (1926: 209) – vgl. Behaghel (1900a:230, 1932:38) – zu Belegen aus der Zeit des Sturm und Drang und der Befrei­ungs­kriege: “Jedenfalls dürfen aber derartige Be­le­ge nicht als lebendige Sprach­erscheinungen gewertet werden”. Wa­rum nicht?
[52]Zahlreiche weitere Belege u.a. bei Erdmann (1886:186), Kieckers (1915:6), Paul (1919:72), Mat­tausch (1965:65ff.), Dal (1962:174).
[53]Eine Vielzahl weiterer Belege u.a. bei Kieckers (1911:56, 1915:6), Paul (1919:72f.), Maurer (1926:208), Schnei­der (1959:391).
[54]Belege z.B. bei Schiepek (1908:504), Maurer (1926:206f.) sowie, aus Des Knaben Wun­der­horn, bei Grimm (1898:1274). Vgl. Behaghel (1900a:228).
[55]Zum V1-DS in Witzen des heutigen Dt., vgl. Önnerfors (1993:32ff., 1997), Auer (1993). S.a. oben, Kapitel 4., Abschnitt 4.1.1., und Kapitel 6., Abschnitt 6.1.
[56]Maurer bemängelt die Verwendung des V1-DS in zeit­ge­nös­sischen literarischen Bei­trä­gen in Zeitungen; u.a. kriti­siert er folgende Stel­len: Gab der Herr zur Antwort … Kehrte Ja­ko­bus um … Staunte Jakobus … Erwiderte der Bau­er (M. Dürr, Gießener Anzeiger 1924, bei Mau­rer 1926:210); Geisterte ein Schatten auf dem Schmalpfad des Wehrs und beugte sich tief. Knarrte der Schleu­­senmund und schloß sich gähnend. […] Duckten sich unten die Wellen zur sam­meln­den Kraft […] Stöhnte der Damm ganz leise … (Berglar-Schröer, Darmstädter Tägl. An­zeiger 1924, ebd.:210f.). Leider ohne weitere Diskussion stellt Maurer hierzu fest: “daß es sich vielmehr um übelste Maniriertheit handelt, da­von braucht wohl nicht gesprochen zu wer­den” (ebd.:211).
[57]Belege auch bei Curme (1922:461). Maurer (1926:209f.) zitiert den folgenden Beleg: Friedrich schick­te dem Feld­herrn hierauf ein Fäßchen spanischen Mal­vasiers. Schrieb ihm Tilly hier wie­der­um, daß … (Schmitthenner). Hier wolle der Autor nach Maurer “den Eindruck al­ter­tümlichen, etwa der Zeit seiner Erzählung angepaßten Stils schaffen”. Vgl. Grubačić: “Mo­derne Schriftsteller gebrauchen die Spitzenstellung, wenn sie alter­tümeln wollen”.
[58]An dieser Stelle kann auch auf die Erzählung Stief und Halb von Johannes Urzidil (1954) hin­ge­wie­sen werden, in der auf nur zwölf Seiten Dutzende von V1-DS begegnen.
                Nach Todt (1894:236), Schultze (1903:29) und Reis (1917:42) ist im nhd. DS die V1-Stel­lung in der Poesie häu­figer als in der Prosa. Vgl. hierzu auch Eroms (1993:1539f.).
[59]So sind etwa im as. Material Högbergs (1915) gut 11% der selbständigen DS solche mit V1-Stellung.
[60]Eine Vielzahl von Belegen findet sich u.a. bei Ries (1880, 1896), Kellner (1892:289), Högberg (1915), Fourquet (1938), Smith (1971:87ff.), Rauch (1992).

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